Pankschlager

Da jedes Kind einen Namen haben sollte, wird man als Musiker ständig und immer wieder gefragt, wie die eigene Musik denn zu bezeichnen sei.

MATTHIAS HAGENBÄUMER macht PANKSCHLAGER.

Dieser bislang unbesetzte Genrebegriff hat offensichtlich zwei zumindest phonetische Wurzeln.

Zum Einen deutet „PANK“ auf die in den Siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts aufgekommene Stilrichtung Punkrock, in der genutzten Schreibweise eine Reminiszenz des gleichnamigen Stückes auf dem ersten Album der „Nina Hagen Band“, das in seiner Gesamtheit geneigten Hörer hiermit dringenst anempfohlen wird. Nina Hagen beschreibt hier unmissverständlich ihren Überdruss an der bestehenden monogamen und offenbar heterosexuellen Zweierbeziehung und den dringenden Wunsch nach zeitnaher Auflösung derselben.

Zum Anderen bekommt sowohl durch die Musik als auch durch die Begriffpaarung zweier vermeintlich unvereinbarer Stilrichtung der Popularmusik das Wort „SCHLAGER“ eine neue, bisher ungeahnte Dimension. Musikwissenschaftlich in Definition und Begriffsherkunft umstritten, ist ein Schlager auf jeden Fall ein relativ einfaches Musikstück, grundsätzlich in Liedform, das textlich eher sentimentale Botschaften mit eingängigen Melodien und unkomplizierten lyrischen Methoden verbindet. Insofern handelt es sich in erster Linie um ein musikindustrielles Werk.

Der scheinbare Widerspruch zwischen der Antihaltung und zügellosen Wildheit des Punkrock und der glattgebügelten Heile-Welt-Illusion des Schlagers wird allerdings durch eine näherere musikhistorische Betrachtung relativiert.

So liegen die Wurzeln des Schlager durchaus auch im zotigen Bänkelgesang der Moritatensänger und noch weiter gefasst, in der volkstümlichen Variante mittelalterlichen Minnegesanges. Diese Musik stand in krassem Gegensatz beispielsweise der Kirchen- und Kunstmusik der Zeit und war insofern subversive Kunst. Über die Jahrhunderte, insbesondere im zwanzigsten Jahrhundert wurde der Schlager zusehens kommerziell vereinahmt und als gefällige Gebrauchsmusik und Gefühlsersatzlyrik industrialisiert.

Eine ähnliche Entwicklung ist auch dem Punkrock widerfahren. So hat die deutsche Band „Die toten Hosen“ zwar durchaus Wurzeln im deutschen Punkrock; mittlerweile ist die Band Bestandteil des Musikindustriellen Komplexes und unterscheidet sich prinzipiell nicht mehr wesentlich vom Werk einer Helene Fischer, von diesem nur noch durch stilistische Attitüde und Image zu unterscheiden.

MATTHIAS HAGENBÄUMER verfolgt das Konzept, die beiden als kompromitiert und korrumpiert empfundenen Musikrichtungen in der jeweils ursprünglichen Form wieder zu beleben.

Vom Punk stammen teilweise Klangwelt und kompositorische Einfachheit sowie die textliche brachaile Direktheit und der stimmliche mässige Gesang, während vom Schlager Eingängigkeit und Gefälligkeit auch und gerade bei sperrigen Inhalten übernommen wurden.

Zur Zeit arbeitet MATTHIAS HAGENBÄUMER an seinem Debütalbum HAUSTIERGERÄUSCHE, das auch als Manifest des PANKSCHLAGER zu verstehen sein wird.